Am 27. März 2017 trafen sich rund 250 Betriebsräte/-innen aus dem baden-württembergischen Einzelhandel sowie Groß- und Außenhandel zu einer eintägigen Konferenz in Stuttgart, um sich gemeinsam über tarifliche Fragen auszutauschen; eingeladen hatte ver.di – wie schon in den vergangenen Jahren – zu dieser Auftaktkonferenz zu Beginn der Tarifrunden des Handels. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Döther aus Heidelberg informierte die Teilnehmer in seinem Vortrag über aktuelle rechtliche Fragen betrieblicher Interessenvertretung während tariflicher Arbeitskämpfe; Rückfragen der Teilnehmer aus ihrer eigenen Praxis wurden umfassend beantwortet.
Am Nachmittag verabschiedete die Konferenz eine Resolution, in der u. a. "kräftige Tariferhöhungen" und "deutliche Verbesserungen der Realeinkommen" für die Handelsbeschäftigten gefordert werden. Zur Bekämpfung von "Verdrängungswettbewerb und Dumpinglöhne auf dem Rücken der Beschäftigten" wird die Forderung erhoben, die Tarifverträge des Einzelhandels für allgemeinverbindlich zu erklären. Diese Forderung reiht sich ein in die aktuelle AVE-Kampagne ("Allgemeinverbindliche Tarifverträge im Handel"), die ver.di im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl bundesweit initiiert hat.
In den Tarifrunden des Jahres 2017 wollen wir für die Beschäftigten im baden-württembergischen Einzel- und Versandhandel sowie im Groß- und Außenhandel deutliche Verbesserungen der Realeinkommen erreichen. Damit wollen wir an die erfolgreiche Tarifpolitik der letzten Jahre anknüpfen. Die hart erkämpften Tarifabschlüsse der letzten 7 Jahre haben maßgeblich zu realen Einkommenssteigerungen beigetragen. Die dadurch beförderte Binnennachfrage war und ist der Motor für die gute wirtschaftliche Entwicklung in der Gesamtwirtschaft wie auch im Einzelhandel und im Groß- und Außenhandel. Die Wirtschaft boomt und die Unternehmen erwarten auch für das laufende Jahr gute Ergebnisse.
Durch ihre täglich gute Arbeit tragen die Beschäftigten zu den wirtschaftlichen Erfolgen maßgeblich bei. Dafür haben sie Respekt und Anerkennung verdient und das nicht nur mit warmen Worten, sondern auch in Form kräftiger Tariferhöhungen. Denn es bleibt ein erheblicher Nachholbedarf: Der Zuwachs der Einkommen aus Vermögen und Unternehmensgewinnen der letzten Jahre hat den der Arbeitseinkommen weit hinter sich gelassen.
Und: Die Mehrzahl der Beschäftigten im Handel ist wegen zu niedriger Einkommen akut von Altersarmut bedroht! Nachhaltige Einkommenssteigerungen sind notwendig, wenn verhindert werden soll, dass sie nach ihrem Arbeitsleben nur eine Armutsrente erhalten.
Mitverantwortlich für diese Entwicklung ist die in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten erheblich gesunkene Tarifbindung durch Tarifflucht und OT-Mitgliedschaften im Einzel- und Versandhandel, aber auch im Groß- und Außenhandel. Nur noch etwa 14 Prozent der Betriebe im Einzelhandel und 6 % im Groß- und Außenhandel sind tariflich gebunden; der Anteil der Tarifbindung bei den Beschäftigten beträgt ca. 30 % (Einzelhandel) bzw. ca. 21 % (Groß- und Außenhandel).
Auch wir Beschäftigten in unseren Dienstleistungsbranchen müssen von unserer guten Arbeit gut und auskömmlich leben können. Deshalb wollen wir uns dafür einsetzen, dass es künftig keine Tariflöhne unter 1900 € mehr gibt.
Insbesondere im Einzelhandel wird der Verdrängungswettbewerb mehr und mehr über Dumpinglöhne auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Deshalb kämpfen wir dafür, dass die Tarifverträge des Einzelhandels wieder für allgemeinverbindlich erklärt werden. Wir wollen damit erreichen, dass unsere Tarifverträge nicht nur in tarifgebundenen Unternehmen, sondern branchenweit für alle Beschäftigten gelten. Dumpinglöhne auf dem Rücken der Beschäftigten und auf Kosten der Gesellschaft sind keinesfalls akzeptabel.
Auch die Auszubildenden dürfen von der Tarifentwicklung nicht abgehängt werden. Auszubildende sind unsere Zukunft; auf ihre Bereitschaft und ihren Willen, sich im Beruf aktiv einzubringen, sind wir dringend angewiesen. Sie haben es verdient, dass ihr Einsatz geschätzt und honoriert wird. Die Handelsunternehmen sind gut beraten, wenn sie endlich die Ausbildungsvergütungen an das in anderen Branchen übliche Niveau heranführen!
Wir setzen uns dafür ein, die Flächentarifverträge in unseren Branchen zu verteidigen. Zudem wollen wir sie auch zukunftsfähig machen und weiterentwickeln. Deshalb unterstützen und begleiten wir die in beiden Branchen vereinbarten Verhandlungen über neue Entgeltstrukturen.
Eine Verknüpfung dieser Verhandlungen mit der Lohn- und Gehaltsrunde 2017 lehnen wir jedoch entschieden ab.
Wir Betriebsräte aus dem Einzelhandel und aus dem Großhandel werden mit allen Kräften dazu beitragen, dass die Flächentarifverträge im Handel verteidigt und die bevorstehenden Tarifverhandlungen im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgreich abgeschlossen werden. Erforderlichenfalls werden wir entschlossen gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen unterstützen, um die Durchsetzung unserer gemeinsamen Ziele zu erreichen.