Für reichlich Unmut hat unter den Kolleginnen und Kollegen bei Amazon die Entscheidung des Managements gesorgt, die Ausgabe der sogenannten Jubiläumsaktien zu kürzen. Gab es bisher regelmäßig zwei Aktien des Konzerns, soll es jetzt nur noch eine sein. Hintergrund ist, dass der Wert der Aktien in den vergangenen Monaten und Jahren zugelegt hat – und damit das „Geschenk“ für Amazon zu teuer wird.
Amazon rechnet den Wert der Aktien gerne auf die von den Beschäftigten bezogenen Gehälter drauf und kommt zu auf seine überzogenen Angaben über die Einkommen. Umgekehrt wird nun ein Schuh daraus: Die Kürzung der Aktienpakete bedeutet praktisch eine Lohnkürzung insbesondere für langjährig beschäftigte Kolleginnen und Kollegen.
Dabei wäre es nur gerecht und dringend erforderlich, die Beschäftigten am Erfolg des Konzerns zu beteiligen. Schließlich sind es die Amazon-Beschäftigte, die täglich ihre Arbeitskraft für die Gewinne von Amazon einsetzen – viel zu oft ohne ausreichenden Gesundheitsschutz! Ohne die Beschäftigten wäre der Erfolg des Konzerns gerade während der Pandemie undenkbar gewesen.
Aktien sind allerdings ohnehin ein zweischneidiges Schwert. Wie wir gerade sehen, kann der Konzern die Ausgabe einfach nach Lust und Laune ausweiten, reduzieren oder ganz einstellen. Zum anderen fallen auf Erlöse aus den Aktien hohe Steuern an – schnell ist die Hälfte des angeblichen Geldsegens wieder dahin. Um die Steuern überhaupt bezahlen zu können, müssen die meisten Kolleginnen und Kollegen die erhaltenen Aktien sofort wieder verkaufen. Aktien aufzuheben, um von steigenden Kursen zu profitieren, ist unter diesen Umständen schwierig.
Außerdem täuscht der Aktienbesitz vor, dass man nun „Miteigentümer“ des Unternehmens ist, damit man sich noch mehr mit ihm identifiziert. Tatsache ist aber, dass es weit über 400 Millionen Amazon-Aktien gibt – Deine ein, zwei oder fünf Aktien sind also nicht der Rede wert, wenn es darum geht, die Entwicklung des Konzerns zu bestimmen!
Klar ist: Aktien sind kein Arbeitseinkommen, mit dem die Beschäftigten verlässlich planen können. Das gilt auch für andere Zuschläge und Prämien, die der Konzern nach Lust und Laune auszahlt, zum Beispiel auch, um Beschäftigte von der Teilnahme an Streiks abzuhalten. Corona-Prämien lösen das Problem ebenfalls nicht – in der Art und Weise, wie sie von Amazon verteilt werden, sind sie sogar ein Teil desselben! Denn wenn sie als Anwesenheitsprämien gehandhabt werden, werden auch erkrankte Kolleginnen und Kollegen dazu verleitet, am Arbeitsplatz zu erscheinen. Damit erhöht sich die Ansteckungsgefahr für weitere Kolleginnen und Kollegen im Betrieb ver.di hat Amazon deshalb schon im vergangenen Jahr aufgefordert, die zwei Euro Zuschlag dauerhaft zu tarifieren und als erhöhten Stundenlohn zu zahlen. Daran halten wir fest!
Der klarste und sicherste Weg für existenzsichernde Löhne sind aber tarifvertraglich abgesicherte Einkommen, inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Überstunden- und Nachtarbeitszuschläge. Dafür kämpfen wir seit nunmehr acht Jahren – und werden nicht nachlassen!
Durch einen Tarifvertrag sind die Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen abgesichert, denn die Einkommen hängen dann nicht von der guten Laune eines Jeff Bezos oder seines Nachfolgers ab. Tarifverträge bedeuten mehr Rechtssicherheit, und Beschäftigte haben einen einklagbaren Anspruch auf tarifvertragliche Regelungen – auch zu Arbeitszeiten usw. Deshalb fordern wir von Amazon die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie einen Tarifvertrag gute und gesunde Arbeit.
In den meisten Bundesländern beginnen in diesen Tagen die Tarifverhandlungen zwischen ver.di und den Arbeitgeberverbänden des Einzel- und Versandhandels. Wir fordern 4,5 Prozent mehr Lohn plus 45 Euro und einen Mindeststundenlohn von 12,50 Euro. Das muss auch für die Beschäftigten bei Amazon gelten – ohne Rechentricks! Beteiligt euch an den Aktionen und Streiks von ver.di, damit wir diese berechtigten Forderungen durchsetzen können!
Damit sich Amazon diesen Tarifverträgen nicht entziehen kann, fordern wir, sie für allgemeinverbindlich zu erklären. Dann würden sie für alle Unternehmen und alle Beschäftigten einer Branche gelten, auch wenn diese nicht tarifgebunden sind. Allerdings müssen nach aktueller Rechtslage beide Tarifparteien – also ver.di und Arbeitgeberverband – die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) beim zuständigen Arbeitsministerium beantragen. Die Unternehmer verweigern das. Deshalb fordern wir eine Gesetzesänderung, damit die AVE auch von ver.di alleine beantragt werden kann. Denn Tarifflucht schadet uns allen!